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Version vom 26. April 2022, 00:29 Uhr

 

Wikipedia-Artikel »Marianne Grimmenstein«, bevor er umfangreich gekürzt / geändert wurde:

Marianne Grimmenstein (auch Marianne Grimmenstein-Balas; geb. 1946 in Budapest) ist eine deutsche Musiklehrerin und Bürgerwissenschaftlerin, die 2016 durch die größte Bürgerklage der deutschen Geschichte (vor dem Bundesverfassungsgericht) bekannt wurde.[1] Ihre Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das Freihandelsabkommen Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA).

Leben

Marianne Grimmenstein stammt von siebenbürgischem Adel ab. Ihr Urgroßvater war zwölf Jahre Mitglied im ungarischen Parlament, Vater und Großvater waren Anwälte und ebenfalls politisch aktiv.[2]

Bis zu ihrer Pensionierung war sie als Musiklehrerin für Quer- und Blockflöte in Lüdenscheid tätig.[3] Im Jahr 2008 führte sie ein Projekt mit Personen aus Universitäten, Fachhochschulen, Forschungsinstituten, Sozialverbänden und Vereinen durch und veröffentlichte die Ergebnisse gemeinsam mit Wolfram Elsner.[4]

Aktivitäten

Verfassungsbeschwerden gegen das Freihandelsabkommen CETA

Im Jahr 2014 reichte Grimmenstein, unterstützt durch etwa tausend Mitkläger, eine erste selbst verfasste Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ein. Sie sah in dem geplanten Freihandelsabkommen CETA Freiheitsrechte der Bürger zugunsten der Konzerne eingeschränkt. Der Verbraucherschutz werde reduziert und die Umwelt geschädigt.[5] Mit der Begründung einer nicht ausreichenden Darstellung der Verletzungen der Bürgerrechte lehnte das Gericht die Beschwerde ab. Mit Unterstützung der Online-Petitionsplattform Change.org organisierte Grimmenstein daraufhin eine Petition und ein Crowdfunding zur professionelleren Unterstützung ihrer Klage. Nachdem der Bielefelder Rechtswissenschaftler Andreas Fisahn zur rechtlichen Vertretung der Klage gewonnen wurde, startete sie eine Bürgerklage, der Bürger durch die Erteilung einer Vollmacht kostenlos beitreten konnten. Bis Ende Februar 2015 traten 10.000 Menschen der Bürgerklage formal bei. Im selben Jahr unterzeichneten über 100.000 Menschen die Petition Grimmensteins auf Change.org.[6]

Die Medien berichteten zunehmend über die Klage, so z. B. die Süddeutsche Zeitung,[7] Der Spiegel,[8] der Deutschlandfunk[9] und der Westdeutsche Rundfunk.[10] Am 14. April 2016 wurde Marianne Grimmenstein zu einem Gespräch mit Staatssekretärin Brigitte Zypries im Bundeswirtschaftsministerium eingeladen. Am 27. August 2016 wurde mit 68.058 Vollmachten eine Klage beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. Die Zahl der Unterzeichner der Petition hatte zu diesem Zeitpunkt 270.000 erreicht. In Medienberichten wurde über die Klage daher als „die größte Bürgerklage in der Geschichte des Bundesverfassungsgerichts“[11] bzw. als „eine der größten Verfassungsklagen in der Geschichte Deutschlands“[12] berichtet.

Die mit fünf Klagen (Aktenzeichen 2 BvR 1368/16, 2 BvR 1444/16, 2 BvR 1482/16, 2 BvR 1823/16 und 2 BvE 3/16; 193.086 weitere Beschwerdeführer) verbundenen Eilanträge wurden am 12. Oktober 2016 vor dem 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts unter dem Gerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle verhandelt und formal abgewiesen (Urteilsverkündung am 13. Oktober 2016).[13][14] Allerdings setzte das Gericht bis zur endgültigen Prüfung der Klage der Bundesregierung enge Grenzen. Bei der Unterzeichnung durch die Bundesregierung muss gewährleistet sein, dass Deutschland das Abkommen trotz des vorläufigen Inkrafttretens durch ein einseitiges Kündigungsrecht wieder aufkündigen kann. Es sollen zunächst nur die Teile des Abkommens gelten, die in die Zuständigkeit der EU fallen. Schadenersatzklagen von Unternehmen (ISDS) dürften erst nach der vollständigen Ratifizierung durch alle nationalen Parlamente der EU-Länder eingerichtet werden. Das Gericht entschied lediglich über die Eilanträge. Eine endgültige Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden folgt später.[15][16] Grimmenstein sagte in einem Interview, das sei „mindestens ein 70-Prozent-Sieg“.[17]

Kritik an der Verfassungsänderung betreffend ÖPP für Verkehr und Bildung

In der 18. Legislaturperiode verfügte die schwarz-rote Regierungskoalition über die gemäß Art. 79 Abs. 2 GG für Verfassungsänderungen nötige Zwei-Drittel-Mehrheit im Deutschen Bundestag. Vor diesem Hintergrund brachte die Bundesregierung im Februar 2017 einen Entwurf für eine Verfassungsänderung ein, die u. a. Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) für Bundesfernstraßen und Bildungseinrichtungen ermöglichen soll.[18] Hiergegen wandte sich Grimmenstein mit einer weiteren Petition auf Change.org, die binnen zwei Monaten über 100.000 Unterstützer fand.[19][20]

Weitere Verfassungsbeschwerden

Bei den Freihandelsabkommen JEFTA (EU/Japan) und EUSFTA (EU/Singapur) hat Grimmenstein als erste entdeckt, dass die parlamentarischen demokratischen Entscheidungen durch das in den Verträgen installierte Ausschusswesen in allen Mitgliedsländern der Europäischen Union (EU) ziemlich ausgehebelt wurden. Die Entscheidungen dieser Handelsausschüsse sind verbindlich für alle Mitgliedsländer der EU. Bei der Fassung dieser Entscheidungen hat das EU-Parlament kein Mitspracherecht und die Beschlüsse können vor keinem Gericht angefochten werden. Deshalb klagte sie 2019 auch gegen JEFTA und EUSFTA. Die JEFTA-Verfassungsbeschwerde hatte 9000 Mitkläger 2019. Die EUSFTA-Verfassungsbeschwerde, die auch eine Klimaklage war, haben sieben Jugendliche mit Grimmenstein zum ersten Mal in Deutschland vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt. Bei diesen beiden Verfassungsbeschwerden wurde sie von der Karlsruher Rechtsanwältin Gisela Toussaint vertreten. Diese beiden Verfassungsbeschwerden wurden abgewiesen.

Weitere Petitionen und Strafanzeige

Während Grimmenstein versuchte, gegen die verschiedenen Freihandelsabkommen juristisch vorzugehen, hat sie noch weitere Petitionen gestartet. Noch zwei Petitionen richten sich direkt gegen die Freihandelsabkommen neuer Generation JEFTA[21] und MERCOSUR.[22]

Mit mehreren Petitionen versuchte sie, die regierenden Parteien dazu zu bewegen, den gemeinwohlschädigenden Freihandelsabkommen ihre Zustimmung nicht zu geben. Durch ihre Petitionen verhandelte sie zweimal auch mit den regierenden politischen Parteien. Diese Verhandlungen führten jedoch nicht zu den Ergebnissen im Sinne des Gemeinwohls.

Wegen der Zerstörung der Regenwälder und der Vernichtung der Lebensgrundlagen der indigenen Völker hat Grimmenstein am 3. Dezember 2018 neben ihren Verfassungsbeschwerden auch eine völkerrechtliche Strafanzeige beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag mit ihrer Rechtsanwältin Gisela Toussaint gegen den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro eingereicht.[23] Die Strafanzeige wurde abgewiesen.

Weitere Aktivitäten

Seit 2019 gehört Grimmenstein als Bürgerwissenschaftlerin zu den Erstunterzeichnern der initialen Stellungnahme der Scientists for Future.[24] Um die Zerstörung menschlicher Lebensgrundlagen zu stoppen, setzt sie sich für rechtliche Rahmenbedingungen zur Umsetzung geeigneter Lösungskonzepte ein.

GemeinWohlLobby

Grimmenstein initiierte die Bürgerinitiative GemeinWohlLobby[25], die sich über den Weg eines neuen Gesellschaftsvertrages (Eigenschreibweise: GesellschaftsFAIRtrag[26]) für ein sozialeres, umweltschonenderes und humaneres Handeln einsetzt.

Vorschlag für Auszeichnung

Im Jahr 2020 wurde Grimmenstein für den Alternativen Nobelpreis (Right Livelihood Award) vorgeschlagen.

Veröffentlichung

Marianne Grimmenstein, Wolfram Elsner (Hrsg.): Quo vadis Deutschland? Was sich ändern muss. Führende Köpfe geben Antworten. Steno-Verlag, München 2008 ISBN 978-954-449-374-5

Einzelnachweise

  1. Größte Bürgerklage der deutschen Geschichte - Verfassungsbeschwerde gegen CETA eingereicht. Abgerufen am 19. April 2021.
  2. Judith Hoppermann im Stern vom 18. September 2016, abgerufen am 13. Oktober 2016
  3. Interview mit Moritz Küpper am 23. Juni 2016 im Deutschlandfunk, abgerufen am 15. Oktober 2016
  4. Marianne Grimmenstein, Wolfram Elsner (Hrsg.): Quo vadis Deutschland? Was sich ändern muss. Führende Köpfe geben Antworten. Steno-Verlag, München 2008, ISBN 978-954-449-374-5
  5. come-on.de 19. Februar 2016; abgerufen am 13. Oktober 2016
  6. Change.org vom 12. Oktober 2016, abgerufen am 13. Oktober 2016
  7. sueddeutsche.de, 24. Februar 2016, abgerufen am 13. Oktober 2016
  8. Vorlage:Der Spiegel
  9. Moritz Küpper: Hobbyjuristin gegen Freihandel. Deutschlandfunk, 23. Juni 2016, abgerufen am 13. Oktober 2016
  10. wdr.de: Beitrag vom 15. Februar 2016, abgerufen am 13. Oktober 2016
  11. deutschlandfunk.de abgerufen am 13. Oktober 2016
  12. wdr.de, abgerufen am 13. Oktober 2016
  13. Bundesverfassungsgericht, Übersicht für das Jahr 2018, Abschnitt Zweiter Senat, Punkt 12; abgerufen am 20. April 2021
  14. Bundesverfassungsgericht, 2. Senat: Bundesverfassungsgericht – Entscheidungen – Eilanträge in Sachen „CETA“ erfolglos. 13. Oktober 2016, abgerufen am 26. Mai 2017.
  15. Artikel. Spiegel Online, 13. Oktober 2016; abgerufen am 13. Oktober 2016
  16. Pressemitteilung Nr. 71/2016. Bundesverfassungsgericht, 13. Oktober 2016; abgerufen am 14. Oktober 2016
  17. Interview Hans von der Hagen. In: Süddeutsche Zeitung, 13. Oktober 2016; abgerufen am 16. Oktober 2016
  18. BT-Drucksache 18/11131. Deutscher Bundestag, abgerufen am 26. Mai 2017.
  19. Marianne Grimmenstein: Change.Org-Petition: Keine Privatisierung von Schulen und Autobahnen! Abgerufen am 26. Mai 2017 (en-US).
  20. Kai Schlieter: Autobahn-Privatisierung: SPD täuscht die eigenen Genossen. In: Berliner Zeitung. (berliner-zeitung.de [abgerufen am 26. Mai 2017]).
  21. JEFTA-Petition. Abgerufen am 4. Januar 2021
  22. Rettet den Amazonas/Petition gegen MERCOSUR. Abgerufen am 4. Januar 2021
  23. Strafanzeige gegen Bolsonaro. Abgerufen am 4. Januar 2021
  24. Unterschriften der initialen „Stellungnahme von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu den Protesten für mehr Klimaschutz – #Scientists4Future: Die Anliegen der demonstrierenden jungen Menschen sind berechtigt.“ vom 22. März 2019. Abgerufen am 2. Februar 2021.
  25. Willkommen bei der Bürgerinitiative GemeinWohlLobby. Abgerufen am 28. April 2021.
  26. GesellschaftsFAIRtrag. Abgerufen am 28. Oktober 2021.