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Version vom 1. November 2019, 17:25 Uhr
Shadow Banning ist Kryptozensur 2. Ordnung und bezeichnet das Verstecken von Inhalten vor den meisten, nur nicht vor denjenigen, die diese Inhalte erzeugt haben.
Entstehung
Die ersten Dienste, die Shadow Banning angewendet hatte, waren die amerikanischen Online-Dating-Dienste. Das wichtigste Kapital solcher Dienste ist die Anzahl der Nutzer. Also standen die Dienste ständig in scharfer Konkurrenz um die Nutzerschaft. Speziell neue Dienste mussten naturgemäß bei Null anfangen und suchten nach Methoden, so schnell wie möglich so billig wie möglich so viele Nutzer wie möglich zu werben, denn davon hing das Überleben des Projektes ab. also erstellten sie Fake-Profile bei großen Diensten und warben dort ihren neuen Dienst. Das war den großen Diensten natürlich nicht recht, weil sie weder Kunden verlieren wollten, noch die Belästigung ihrer Klientel durch aufdringliche Werbung dulden konnten. Besonders die Dienste, bei denen die Mitgliedschaft kostenlos war, hatten große Probleme mit Werbern. Die Werber-Profile waren zwar relativ leicht zu erkennen, aber schlichtes Sperren oder Löschen dieser Profile war fast wirkungslos, weil sich die dahinter stehenden Werber sofort wieder neue Konten erstellten, was an sich auch wieder eine zusätzliche Arbeitsbelastung für den befallenen Dienst darstellte. Also kam man auf die Idee, zuerst einmal die Versendung von Werbenachrichten zu verzögern, um die Schadwirkung der Werber zu dämpfen. Diese Taktik wurde immer weiter verfeinert. Es war wichtig, den Werber nicht merken zu lassen, dass sein Wirken vom System erkannt wurde, damit der Werber möglichst viel Zeit und Mühe bei seinem möglichst wirkungslosen Tun vergeudete. Das Shadow Banning ist also in einem rein wirtschaftlichen Umfeld entstanden, ohne jede politische Absicht.
Da Online-Dating-Dienste im Prinzip auch Soziale Netzwerke sind, arbeiten in diesem Bereich die gleichen Fachleute, die sich untereinander kennen und gelegentlich auch von einem Arbeitgeber zum nächsten wechseln bzw. von größeren Diensten abgeworben werden. So konnte sich diese Technik auf andere Dienste wie Youtube und Facebook ausbreiten, wo sie aber nicht nur rein wirtschaftliche Zwecke verfolgte hatte.
Funktionsweise
Beim Shadow Banning werden die Eingaben des Nutzers meistens nicht gelöscht, wie bei einer konventionellen Zensur]. Die Daten werden also vom Nutzer erzeugt, abgespeichert und bleiben erhalten. Es liegt aber in der Natur dieser digitalisierten Inhalte, dass sie zwar maschinenlesbar sind, aber nicht ohne weiteres von Menschen gelesen oder gesehen werden können. Um digitale Inhalte für Menschen rezipierbar zu machen, müssen sie dekodiert werden und auf einem Endgerät z.B. einem Flachbildschirm ausgegeben werden. Bei jedem Seitenaufbau wird also eine Datenbank abgerufen, und die Daten werden nach vielfältigen Kriterien für den Nutzer aufbereitet. Die dieser Aufbereitung, die Rendering genannt wird, zugrunde liegenden Algorithmen sind dafür entscheidend, welcher Nutzer welche Inhalte zu sehen bekommt. Angenommen, das Shadow Banning bezieht sich auf einen bestimmten Nutzer, der sozusagen unangenehm aufgefallen ist, dessen Produktion also in Zukunft niemand mehr zu sehen bekommen soll, dann würde die Kryptozensur dadurch in Gang gesetzt, dass dem Konto dieses Nutzers ein entsprechendes Flag angehängt würde. Beim Rendering würde die Software z.B. eine Liste von Kommentaren abrufen, die einem Video auf YouTube zugeordnet sind, dass jemand sich ansehen möchte. Während diese Liste abgearbeitet wird und Kommentar für Kommentar angezeigt wird, liest die Software bei jedem Kommentar notwendigerweise auch die Information aus, welcher Nutzer ihn geschrieben hat. Nur so kann der Nutzername und die Verlinkung auf sein Profil dem Kommentar hinzugefügt werden, wie es allgemein üblich ist. Bei der Abfrage des Erzeugerprofils liest die Software nun auch das ggf. vorhandene Flag aus und stellt somit fest, daß der Erzeuger des Kommentars gebannt wurde. Ist der Abrufer, für den diese Seite gerendert wird, identisch mit dem Erzeuger des Kommentars, dann wird auch der Kommentar gerendert, andernfalls nicht. So sieht der Gebannte seinen eigenen Kommentar und sonst sieht niemand den Kommentar. Da der Erzeuger des Kommentars ihn sieht, hat er keinen Anlass, misstrauisch zu werden oder sich über irgend etwas zu beschweren. Daher ergreift er auch keine Maßnahmen gegen die Bannung, der er unterliegt, denn das System informiert ihn in keiner Weise darüber, daß er gebannt wurde.